Prof. Dr. Peter Sloterdijk im Gespräch mit Dr. René Scheu: Die Schweiz – Dynamit im Herzen Europas.

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Bereits im Landesnamen der Schweiz, der Eidgenossenschaft, verberge sich das Geheimnis modernen Zusammenlebens, sagt Prof. Dr. Peter Sloterdijk im Gespräch mit Dr. René Scheu, Geschäftsführer des IWP und selbst Philosoph. Denn eine Eidgenossenschaft sei im Kern eine Zusammenkunft von erwachsenen und freien Bürgern, die sich auf einer Lichtung treffen, um gemeinsam über die Formen des Zusammenlebens zu beraten. Die Schweiz ist in der Tat nicht, wie die meisten anderen Nationalstaaten Europas, als eine Kulturnation entstanden, sondern in der Tradition der mittelalterlichen Versammlungsidee verankert. Da lege man, so Sloterdijk, das eigene Schicksal mit einem Schwur symbolisch in die Hände des Gegenübers. Dies schaffe eine andere Idee von Souveränität als in den übrigen Nationalstaaten Europas. Warum diese Art der Souveränität kein Mythos ist, sondern ungebrochene Aktualität besitzt, erklärt Peter Sloterdijk im Video.

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Inhalt
Der interessanteste Helvetismus, in der Philosophie, findet sich bei Nietzsche in seiner Aussage: «Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit.» Denn Dynamit ist der Beitrag, wenn man so will, der Schweiz, sozusagen, zum modernen Verkehrswesen. Also er sagt nicht, dass er die Welt in die Luft sprengt, sondern, «Ich bin Dynamit», heisst bei ihm, ich versetze zwar keine Berge, aber ich durchbohre Berge. Und zwar so, dass man dann, mit einer erhöhten Verkehrsfähigkeit, auf der anderen Seite wieder herauskommt. Weil, «Ich bin Dynamit», ich öffne die Strasse in den Süden. So muss man das übersetzen. Peter, welchen Klang hat für dich das Wort «Eidgenossenschaft»? Was ist eine Eidgenossenschaft? Das Besondere an den Schweizer Verhältnissen ist eben dies, dass die Schweizer das Geheimnis einer Staatsbildung bereits in ihrem Namen tragen. Viele andere Nationen modernen Typs, nennen sich entweder, immer noch ein Reich, oder haben einen historischen Namen, wie «France» oder, «Brittany». Oder die Vereinigten Staaten von Amerika, sie nennen sich also Staaten, oder sie nennen sich Republik. Aber wenn ich Staat sage, oder Republik sage, habe ich das Geheimnis des Zusammenlebens, von Menschen innerhalb dieses körperschaftlichen Gebildes, noch nicht verraten. Die Schweizer sind in diesem Punkt freigiebiger. Und nennen sich schon so, wie sie leben. Das heisst, eine Eidgenossenschaft ist primär keine Nation. Sie kann die Form einer Republik annehmen, sie könnte sich auch Demokratie nennen. Das wären allerdings, oder sie könnte sich auch Bundesrepublik nennen, oder so, wie es andere politische Gebilde tun. Aber in dem Wort der Eidgenossenschaft, sieht man einen ganz anderen Vorgang. Man sieht nämlich, eine Zusammenkunft, in der Regel von erwachsenen Personen, vielleicht aber auch mit ihrem familiären Anhang, und die stehen auf einer grossen Lichtung, sich gegenüber, und versprechen sich gegenseitig, die Formen des Zusammenlebens, miteinander zu entwickeln. Das ist eine ganz ungeheuerliche Tatsache. Nun, worin genau besteht die Bedeutung des Eids? Dass dieses in der Form eines Eides belegt wird, ist insofern auch von hoher Bedeutung, weil Menschen früher mit dem Eid, sozusagen, ihre ganze Person verpfänden konnten. Heute vor Gericht leistet man Eide, oder Meineide, wie es halt gerade kommt. Aber in der mittelalterlichen Kultur, und auch in der Zeit, als die Schweiz entstanden ist, aus der mittelalterlichen Versammlungsidee heraus; Dass das Schwören so wichtig geworden ist, weil das Schwören ist ja auch eine Sache, die bei der Angelobung eines Vasallen zu einem Herrn, eine enorme Bedeutung annimmt, weil er sozusagen sein Leben, seine Existenz, verpfändet, im Eid. Was übrigens auch eine theologische Implikation hat. Denn wer den Eid bricht, ist, nach traditionellem theologischen Verständnis, in das Lager Satans übergelaufen. Das heisst, den muss nicht erst der Teufel holen, sondern der hat sich freiwillig in dessen Lager begeben. Kurzum, also das Schwören ist als politischer Akt deswegen so wichtig, weil die Schweizer Verfassung, auch der Schweizer Landesname, diese Konföderation, diese Angelobung mit zum Ausdruck bringt. Das tun andere politische Einheiten, nie in der gleichen Explizitheit. Also wir haben in den religiösen Traditionen immer noch so etwas wie, Firmungen oder Konfirmationen, aber regelrechte Bürgerweihen oder so etwas, finden in der Regel in westlichen Nationen nicht statt. Man bekommt mit dem 18. Lebensjahr, mehr oder weniger automatisch, die politische Reife zugestanden, oder zugesprochen, oder zumindest zugeschrieben. Unabhängig davon, ob der persönliche Zustand der Person dem genügt. Aus der Schweizer Sicht, sieht die Sache anders aus.
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Комментарии
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IWPLuzern
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Als Zürcherin, rsp. Wahl Zürcher Oberländerin bin ich mit meiner Gemeinde am meisten, mit dem Staat/ Kanton am ehrgeizigen und mit dem Bund/ der Eidgenossenschaft seit Corona am kritischen...verbunden
Ich danke Peter Sloterdijk, dass er sich so stark mit Regierungen auseinandergesetzt hat, dass er soo einfühlsame für mich sehr stimmige Antworten geben konnte.❤️
Auch dem fragenden Herr Scheu danke ich. Den klaren Luzerner Dialekt erkenne ich immer besser .❤️

verenagattikerweilenmann
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Es zahlt sich aus, dass Peter Sloderdijk nicht nur mit einer hochqualifizierten und immer offenen essayistischen Sprachphantasie daherkommt, sondern er auch seine politische Philosophie, sein ganzes Denken, immer stark geschichtsträchtig herleitet.

weiterimtext
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Ein durch und durch sehenswertes Interview, aus dem man eine Menge historisches entnehmen kann und einem die Zusammenhänge einer Entwicklung einer Demokratie, die einerseits durch Revolutionen aus monarchischen Systemen und andererseits einer Entwicklung aus sich - siehe Schweiz, das Thema hier- vor Augen hält. Der Stil der Sprache Sloterdijks hat mich oft zum Lachen gebracht, da er auf pointierter Weise die Sätze so formuliert und ausschmückt, dass er niemanden beleidigt aber ganz schon auf die Schippe nehmen kann.

tomaxi
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Sloterdijk ist wunderbar. Seine Fabulierkunst, die eine großartige Frucht eines geistigen Lebens ist, einfach wunderbar! Auf daß es ihm bestens ergehe, bei guter Gesundheit und noch viele großartigen Gespräche für uns Publikum abfallen....

alexanderkrampe
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Umfassende Staatskunde aus philosophischer Sicht genial auf den Punkt gebracht. Sollte Pflichtlektüre werden für alle neu gewählten PolitikerInnen, Mittel- und BerufsschülerInnen der Schweiz.

Huldrich
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Ein sehr, für mich bestätigen des in einigen Fragen, Beitrag. Ohne Populismus, Eile, ohne Zorn. Ein Gespräch über Ereignisse und deren Folgen. Es wird in Europa selten daran gedacht, besonders in den regierenden Kreisen (egal, was meine Wähler denken...).

neljaknaus
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Es wäre toll für Deutschland, wenn wir unsere Gesetze selbst bestimmen könnten wie die Schweizer!!!!❤

berndhofmann
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Spannendes Gespräch. Die “beste” Demokratie Schweiz kommt auch an seine Grenzen, wenn wichtige langfristige unangenehme Entscheide gefällt werden müssen, welche kaum Mehrheiten finden können in schwierigen Zeiten.

rubisicecreamery
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CH - EU, ab Minute 23. Auf den Punkt gebracht, sehr treffend formuliert

petermeier
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Wenn man gedacht sowohl Teilnehmer als auch Teilgeber ist, besteht die Gefahr, dass man sich selbst vergißt und verfehlt.

Glücklich ist der, der vielleicht ein oder zwei Freunde zu sich zählen kann.

Schon das gibt es sehr selten.

BernhardKlueser
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daß Schweiz ist wie es ist, beruht mit sicherheit nicht nur auf eigenleustung

ryszardkaszubowski
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Sehr spannende Gedanken. Die Schweiz ist ein Schatz in Europa. Auf der anderen Seite war die Analyse über die Schweiz auch verklärend. Die Nachteile oder Unannehmlichkeiten des Schweizer Systems wurde unter den Teppich gekehrt. Das lässt leider einen faden Beigeschmack. Das hätte nicht sein müssen.

jonajim
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Wunderbar: "Die Abhängigkeit Chinas vom Import deutscher Irrtümer" Das war nicht gemeint, aber dazu zählen würde ich auch noch den Import deutscher Automobile und jetzt auch noch das Setzen auf elektrischen Individualverkehr (obwohl immerhin China die Wichtigkeit des Schienenverkehrs begriffen hat).

thomasszejnmann
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Nehme ich zurück, ist ausnahmsweise vollständig zu unterschreiben

katakalyptica
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Wenn man so will,
habe ich hier, mit meinen Kommentaren,
ohne es zu beabsichtigen,
zum Einen eine Bestätigung
der Bedeutung seines letzten Buches
"Die Reue des Prometheus"
verfasst,
und zum Anderen,
die verantwortliche Umsetzung der Erkenntnisse,
zumindest in Ansätzen,
dargelegt.

Man kann Peter Sloterdijk kaum gewinnbringend zuhören,
ohne das von ihm zuvor gesagte b.z.w.. geschriebene
in Erinnerung gegenwärtig zu haben.
Wenn man nur die Ausführungen über die Schweiz vernimmt,
ist das sehr interessant und beeindruckend.
Doch fehlt einem die nötige Einordnung in das Gesamtbild.

Wie drückte es Bazon Brock aus: "Peter Sloterdijk ist der einzige
heutige Schriftsteller, welcher ein Universalwerk hervorbringt. (?)"

Ein Spannungsbogen von vor 40 Jahren,
mit "Kritik der zynischen Vernunft",
bis heute "Die Reue des Prometheus".

Alles baut aufeinander auf
b.z.w. ist ein Steinchen in einem Puzzlebild!

Mitmacher
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So schade wie Sie Herr Sloterdijk sich in der Corona Zeit verhalten haben. Wie wäre es mit einer Entschuldigung, Herr Philosoph?

friederike
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Am Eid waren überhaupt nur 3 resp. 4 Kantone beteiligt. Für den Rest der Schweiz gab's den gar nicht. Und der Schwur fand nach heutigem Wissen auch nicht bei einer "Lichtung" statt. Und was soll ein Schwur von vor 1000 Jahren für heute eine Bedeutung haben? Das ist doch völlig leeres Gerede...

konstruktivismuskonstru
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Sind die EU oder die USA nicht auch Komplottsysteme, ich würde mich da nicht auf China und Russland beschränken.

heikerichter
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So könnte das Dynamit der Schweiz aussehen/wirken.

Eine sozusagen pessimistisch-optimistische Darlegung von:

Bio-Stiftung Schweiz
Klimakrise, Biodiversitätskrise, Wirtschaftskrise...? Warum wir daran nicht verzweifeln müssen.

Mitmacher