Arm in einem reichen Land? Die soziale Spaltung & ihre Folgen - Prof. Dr. Butterwegge, 08.11.18

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Seit geraumer Zeit bildet die wachsende soziale Ungleichheit das Kardinalproblem der Menschheit schlechthin. Im globalen Maßstab resultieren daraus Krisen, Kriege und Bürgerkriege, aber auch Flüchtlingsströme bisher unbekannten Ausmaßes. Im nationalen Rahmen stiftet die zunehmende Ungleichheit von Einkommen und Vermögen ebenfalls Unfrieden, obwohl es hierzulande aufgrund des gegenüber Staaten der sog. Dritten bzw. Vierten Welt erheblich höheren Wohlstandsniveaus bisher (noch) nicht zu größeren sozialen und politischen Verwerfungen gekommen ist.
Auch in der Bundesrepublik gibt es jedoch ein Wohlstandsgefälle, das nicht ohne Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und Staat bleibt. Betrachtet man die Sozialstruktur der Bundesrepublik, zeichnet sich eine Polarisierung ab, die auch im internationalen Vergleich extrem stark ausgeprägt ist. Armuts- und Reichtumsberichte dokumentieren eine drastische Verteilungsschieflage vornehmlich beim Vermögen, das sich zunehmend bei wenigen Hyperreichen konzentriert, die über ein riesiges Kapitaleigentum verfügen und meistens auch große Erbschaften machen.
Die Reichen werden reicher, die Armen zahlreicher. Durch den fast ein Viertel aller Beschäftigten umfassenden Niedriglohnsektor breitet sich die Armut bis zur Mitte der Gesellschaft aus und verfestigt sich. Zu den Hauptbetroffenengruppen gehören Kinder und Jugendliche, besonders solche aus Ein-Elternteil-Familien, Mehrkinderfamilien und Familien mit Migrationshintergrund, aber auch ältere Menschen.
Dass die Gesellschaft zunehmend in Arm und Reich zerfällt, ist kein unsozialer Kollateralschaden der Globalisierung, sondern durch falsche Weichenstellungen der politisch Verantwortlichen bedingt. Die sozialen Polarisierungstendenzen lassen sich auf die öffentliche Meinungsführerschaft des Neoliberalismus und von ihm durchgesetzte oder beeinflusste Reformen zurückführen.
Während sich Arme immer weniger an Wahlen beteiligen, weil sie in den etablierten Parteien keine Vertreter ihrer Interessen mehr sehen, entscheiden sich Mittelschichtangehörige, die Angst vor dem sozialen Abstieg haben, häufiger für rechtspopulistische Demagogen. Damit folgt der sozialen Spaltung eine politische Spaltung des Landes, und am Ende gerät die Demokratie in Gefahr.
Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und Armut wirksam bekämpfen will, muss den „Um-“ bzw. Abbau des Sozialstaates beenden, den Arbeitsmarkt nicht weiter deregulieren, sondern reregulieren, und die jahrzehntelange Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben beenden und für mehr Steuergerechtigkeit sorgen.

in Kooperation mit dem Lions Club Saarbrücken-Halberg

Referent:
Prof. Dr. Christoph Butterwegge lehrte bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln. Zuletzt sind seine Bücher „Krise und Zukunft des Sozialstaates“ (6. Aufl. Wiesbaden 2018), „Armut“ (3. Aufl. Köln 2018) sowie „Hartz IV und die Folgen. Auf dem Weg in eine andere Republik?“ (3. Aufl. Weinheim/Basel 2018) erschienen.

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