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Rundgang KZ-Gedenkstätte Melk - Station 5: Unterbringung, Ernährung, Überlebenskampf
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Die ersten 500 Häftlinge, die Melk am 21. April 1944 erreichten, wurden im ersten Stock einer langgezogenen Garage am Kasernengelände einquartiert, dem hier abgebildeten „Objekt 10“. Im Erdgeschoss des Gebäudes befand sich die Häftlingsküche, heute sind dort KFZ-Werkstätten untergebracht.
Im Bild sind Stockbetten zu sehen, in denen die Häftlinge schlafen mussten. Stand den Häftlingen zu Beginn noch relativ viel Platz zur Verfügung, stieg bis zum Jänner 1945 die Häftlingszahl auf über 10.000 Männer an. Im Lager herrschte daher massive Platznot und mehrere Häftlinge mussten sich die Betten teilen. Während eine Gruppe bei der Arbeit war, schlief die andere Gruppe und umgekehrt.
In den dicht belegten Häftlingsblöcken war an Privatsphäre für den Einzelnen nicht zu denken, niemals kehrte in den Blöcken Ruhe ein, was eine Erholung nach der auszehrenden Zwangsarbeit verunmöglichte. Der ganze Zynismus des NS-Regimes zeigt sich an den Inschriften auf mehrere Deckenbalken in der ehemaligen Häftlingsunterkunft im Objekt 10, die bis heute erhalten geblieben sind.
„Recht oder Unrecht. Mein Vaterland“ ist dort ebenso zu lesen, wie der wohl bekannteste Spruch „Arbeit macht frei“, der sich unter anderem auch an den Eingangstoren der KZ Auschwitz und Dachau wiederfindet. Wie mussten sich die Häftlinge gefühlt haben, als sie den Schriftzug „Arbeit macht frei“ zum ersten Mal gelesen hatten? Wohlwissend, dass die Häftlinge in den Lagern des Mauthausen-Komplex für die „Vernichtung durch Arbeit“ vorgesehen waren und eine Freilassung nicht zum Plan gehörte!
Durch die schlechten sanitären Verhältnisse in den Häftlingsblöcken verbreiteten sich Krankheiten besonders leicht, viele Häftlinge litten insbesondere an ständigem Durchfall aufgrund der mangelhaften Ernährung. Die Nahrungsrationen werden in Erinnerungsberichten zu Beginn noch als relativ gut beschrieben. Doch je mehr Häftlinge zur Zwangsarbeit nach Melk kamen, desto prekärer wurde die Lage hinsichtlich der Nahrungsmittel. Die Zeichnung von Daniel Piquee-Audrain zeigt die Essensausgabe in den Stollen und damit DEN wesentlichen Aspekt des täglichen Lebens der Häftlinge: Der Kampf um Nahrung bzw. das Organisieren von Tauschgegenständen, wie etwa Zigaretten, die gegen zusätzliche Nahrung eingetauscht werden konnten.
Die Zeichnung von Daniel Piquee-Audrain zeigt die Brotverteilung und der ehemalige Melker KZ-Häftling Yves Briand beschrieb die Ernährungslage in Melk so:
„Die Ernährung bestand zu dieser Zeit aus einem Stück Brot, am Abend mit Kaffeesuppe oder Teesuppe, manchmal mit weißer Grießsuppe. Am morgen einfach nur Suppe oder Kaffee oder Tee, so eine schwarze Flüssigkeit eben. Zu Mittag: Suppe, oft grüne Suppe, wahrscheinlich aus Spinat oder Brennessel, es war jedenfalls sehr flüssig, wir schluckten diese grüne Suppe, beim nächsten Mal urinieren nach einer halben Stunde war der Kreislauf geschlossen, die Suppe war draußen.“
Ab Spätherbst 1944 erhielten die Häftlinge oft nur noch 1.000 Kalorien oder weniger pro Tag – trotz schwerer körperlicher Zwangsarbeit. Zum Vergleich: Heute nehmen wir täglich durchschnittlich 2.000 bis 2.500 Kalorien zu uns.
Diese dramatische Unterversorgung verbunden mit extrem schwerer und gefährlicher Zwangsarbeit sowie ständiger gewalttätiger Willkür und Bedrohung durch SS und Funktionshäftlingen fielen in Melk fast 5.000 Häftlinge zum Opfer. Der damals erst 14-jährige KZ-Häftlinge Michael Kraus hat einige dieser Facetten in seinen Zeichnungen festgehalten: Die Gewalt der Bewacher …
aber auch die Flucht in den Selbstmord von verzweifelten Häftlingen, die jede Hoffnung auf die Freiheit verloren hatten. Der nächste Teil unseres Rundgangs wird sich dem Schicksal der fast 5.000 in Melk ermordeten KZ-Häftlinge widmen und der Fragen nachgehen, welche Aspekte die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöhen oder verringern konnten.
Quellen:
Bild 1: Objekt 10, Zeithistorisches Zentrum Melk, C. Rabl / Bild 2: Stockbetten Objekt 10, IPN Warschau 46521 / Bild 3: Objekt 10, Thomas Keplinger / Bild 4: Deckenbalken Objekt 10, Thomas Keplinger / Bild 5: Daniel Piquee-Audrain „Soupe dans les galeries“ / Bild 6: Daniel Piquee-Audrain, „Distribution du Pain“; Zitat von Yves Briand nach „Perz, Projekt Quarz“, S. 363 / Bild 7 und 8: Michael Kraus (Tagebuch 1942-1945: Aufzeichnungen eines Fünfzehnjährigen aus dem Holocaust, Metropol-Verlag 20215).
Text: Zeithistorisches Zentrum Melk, C. Rabl
Lesung Zitate: Melanie Grubner
Im Bild sind Stockbetten zu sehen, in denen die Häftlinge schlafen mussten. Stand den Häftlingen zu Beginn noch relativ viel Platz zur Verfügung, stieg bis zum Jänner 1945 die Häftlingszahl auf über 10.000 Männer an. Im Lager herrschte daher massive Platznot und mehrere Häftlinge mussten sich die Betten teilen. Während eine Gruppe bei der Arbeit war, schlief die andere Gruppe und umgekehrt.
In den dicht belegten Häftlingsblöcken war an Privatsphäre für den Einzelnen nicht zu denken, niemals kehrte in den Blöcken Ruhe ein, was eine Erholung nach der auszehrenden Zwangsarbeit verunmöglichte. Der ganze Zynismus des NS-Regimes zeigt sich an den Inschriften auf mehrere Deckenbalken in der ehemaligen Häftlingsunterkunft im Objekt 10, die bis heute erhalten geblieben sind.
„Recht oder Unrecht. Mein Vaterland“ ist dort ebenso zu lesen, wie der wohl bekannteste Spruch „Arbeit macht frei“, der sich unter anderem auch an den Eingangstoren der KZ Auschwitz und Dachau wiederfindet. Wie mussten sich die Häftlinge gefühlt haben, als sie den Schriftzug „Arbeit macht frei“ zum ersten Mal gelesen hatten? Wohlwissend, dass die Häftlinge in den Lagern des Mauthausen-Komplex für die „Vernichtung durch Arbeit“ vorgesehen waren und eine Freilassung nicht zum Plan gehörte!
Durch die schlechten sanitären Verhältnisse in den Häftlingsblöcken verbreiteten sich Krankheiten besonders leicht, viele Häftlinge litten insbesondere an ständigem Durchfall aufgrund der mangelhaften Ernährung. Die Nahrungsrationen werden in Erinnerungsberichten zu Beginn noch als relativ gut beschrieben. Doch je mehr Häftlinge zur Zwangsarbeit nach Melk kamen, desto prekärer wurde die Lage hinsichtlich der Nahrungsmittel. Die Zeichnung von Daniel Piquee-Audrain zeigt die Essensausgabe in den Stollen und damit DEN wesentlichen Aspekt des täglichen Lebens der Häftlinge: Der Kampf um Nahrung bzw. das Organisieren von Tauschgegenständen, wie etwa Zigaretten, die gegen zusätzliche Nahrung eingetauscht werden konnten.
Die Zeichnung von Daniel Piquee-Audrain zeigt die Brotverteilung und der ehemalige Melker KZ-Häftling Yves Briand beschrieb die Ernährungslage in Melk so:
„Die Ernährung bestand zu dieser Zeit aus einem Stück Brot, am Abend mit Kaffeesuppe oder Teesuppe, manchmal mit weißer Grießsuppe. Am morgen einfach nur Suppe oder Kaffee oder Tee, so eine schwarze Flüssigkeit eben. Zu Mittag: Suppe, oft grüne Suppe, wahrscheinlich aus Spinat oder Brennessel, es war jedenfalls sehr flüssig, wir schluckten diese grüne Suppe, beim nächsten Mal urinieren nach einer halben Stunde war der Kreislauf geschlossen, die Suppe war draußen.“
Ab Spätherbst 1944 erhielten die Häftlinge oft nur noch 1.000 Kalorien oder weniger pro Tag – trotz schwerer körperlicher Zwangsarbeit. Zum Vergleich: Heute nehmen wir täglich durchschnittlich 2.000 bis 2.500 Kalorien zu uns.
Diese dramatische Unterversorgung verbunden mit extrem schwerer und gefährlicher Zwangsarbeit sowie ständiger gewalttätiger Willkür und Bedrohung durch SS und Funktionshäftlingen fielen in Melk fast 5.000 Häftlinge zum Opfer. Der damals erst 14-jährige KZ-Häftlinge Michael Kraus hat einige dieser Facetten in seinen Zeichnungen festgehalten: Die Gewalt der Bewacher …
aber auch die Flucht in den Selbstmord von verzweifelten Häftlingen, die jede Hoffnung auf die Freiheit verloren hatten. Der nächste Teil unseres Rundgangs wird sich dem Schicksal der fast 5.000 in Melk ermordeten KZ-Häftlinge widmen und der Fragen nachgehen, welche Aspekte die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöhen oder verringern konnten.
Quellen:
Bild 1: Objekt 10, Zeithistorisches Zentrum Melk, C. Rabl / Bild 2: Stockbetten Objekt 10, IPN Warschau 46521 / Bild 3: Objekt 10, Thomas Keplinger / Bild 4: Deckenbalken Objekt 10, Thomas Keplinger / Bild 5: Daniel Piquee-Audrain „Soupe dans les galeries“ / Bild 6: Daniel Piquee-Audrain, „Distribution du Pain“; Zitat von Yves Briand nach „Perz, Projekt Quarz“, S. 363 / Bild 7 und 8: Michael Kraus (Tagebuch 1942-1945: Aufzeichnungen eines Fünfzehnjährigen aus dem Holocaust, Metropol-Verlag 20215).
Text: Zeithistorisches Zentrum Melk, C. Rabl
Lesung Zitate: Melanie Grubner
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