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Reizdarm – helfen Medizinprodukte tatsächlich? | Marktcheck SWR
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Eine der häufigsten Magen-Darm-Erkrankungen: das Reizdarmsyndrom. Medizinische Mittel wie Kijimea versprechen, etwa Durchfall, Bauchschmerzen und Blähungen signifikant zu verbessern. Was steckt dahinter?
Diese Pillen sollen helfen bei Reizdarmbeschwerden - der Originalton im YouTube-Spot: „Ständig Durchfall, Blähungen und Bauchschmerzen. Dann hat mein Arzt mir das neue Kijimea empfohlen. Meine Darmbeschwerden waren wie weg.“ – „Wie weg.“ -– „Super Sache, dieses Kijimea Reizdarm Pro.“
Unterschiedliche Darmbeschwerden
Das Reizdarmsyndrom ist ein Volksleiden. Geschätzt 17 Prozent der Deutschen sind betroffen. Der Arzneimittelexperte Professor Gerd Glaeske sagt, vor allem die Vielfältigkeit der Beschwerden erzeuge bei Betroffenen hohen Leidensdruck. Es seien vor allen Dingen Bauchschmerzen, aber auch Durchfälle oder Verstopfung.
Marktführer Kijimea: Kapseln mit speziellen Bakterien
Eine Krankheit, die viele haben. Die Ursache ist unklar. Kijimea ist das meistverkaufte Produkt im Bereich Darmgesundheit. Der Jahresumsatz lag 2019 bei knapp 40 Millionen Euro – allein in Deutschland. Umgerechnet 1,26 Euro pro Kapsel kostet „Kijimea Reizdarm Pro“ - das mit Abstand teuerste Produkt, aber auch das bekannteste. Es will die Symptome mit speziellen Bakterien bekämpfen.
Experten äußern Kritik
Für das Fachmagazin „arznei-telegramm“ hat Chefredakteur Wolfgang Becker-Brüser mit seinem Team die Studien zu „Kijimea Reizdarm Pro“ genau analysiert. Er ist selbst Arzt und Pharmakologe und sieht die Werbung kritisch. Es würden zwar Effekte nachgewiesen, aber die Beschwerden würden nur gelindert und das nicht bei jedem.
Der Hersteller Synformulas gründet seine Werbung auf eine Studie aus 2020, die er selbst beauftragt hat, und teilt mit: „Es konnte bei allen RDS-Symptomen (…) eine signifikante Verbesserung festgestellt werden. Diese Werte umfassen mit Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und Verstopfung alle typischen Leitsymptome des RDS.“
Nur etwas besser als ein Placebo
„Signifikante Verbesserung“ bezeichnet einen rein statistischen Wert. Für die „Kijimea Reizdarm Pro“-Studie hat eine Hälfte der rund 430 Probanden Kijimea-Kapseln eingenommen, die andere Hälfte ein wirkungsloses Placebo.
Gesundheitswissenschaftler Professor Gerd Glaeske erklärt: „Wenn man Placebo und Kijimea vergleicht, sind die Placebo-Werte gerade mal 15 Prozent unter dem Kijimea-Wert. Das ist ein Bereich, der aus pharmakologischer, aus arzneimitteltherapeutischer Sicht eigentlich relativ wenig aussagt. Das heißt, wenn überhaupt, wirkt es ein bisschen besser vielleicht wie Placebo.“ Man könne nicht darauf hoffen, dass Beschwerden „wie weg“ seien.
Alte Studie für neues Kijimea Reizdarm Pro verwendet
Ärzte des Hamburger Israelitischen Krankenhauses haben die Studie durchgeführt. Wir fragen nach: Die Forscher halten die Werbung teilweise für überzogen. Nur bei einer kleinen Gruppe konnte eine Verbesserung erreicht werden. Bei zwei Dritteln der Anwender tue sich quasi gar nichts. Von der Werbeaussage, das neue „Kijimea Reizdarm Pro“ sei „40 Prozent wirksamer“ distanziere man sich - das habe man gar nicht untersucht. Hier zieht der Hersteller eine andere Studie aus 2011 heran - zum Vorgängerprodukt „Kijimea Reizdarm“. Diese sei ganz anders angelegt gewesen.
Medizinprodukte brauchen keine Zulassung
Diese Werbung ist möglich, weil „Kijimea Reizdarm Pro“ als Medizinprodukt vertrieben wird. Anders als bei Arzneimitteln muss hier die Wirkung nicht nachgewiesen werden. Chefredakteur Wolfgang Becker-Brüser erklärt, bei Medizinprodukten könne der Hersteller eine Zulassung durch Behörden wie für Arzneimittel umgehen.
Von der zuständigen Regierung Oberbayern erfahren wir: „Die klinische Bewertung (..) liegt in der Verantwortung des Herstellers. Eine behördliche Überprüfung analog eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens ist im Medizinprodukterecht nicht vorgesehen.“
Wichtig: Reizdarmsyndrom vom Arzt abklären lassen
Gesundheitswissenschaftler Professor Glaeske sieht die „Kijimea Reizdarm Pro“-Werbung kritisch und rät zudem, das Reizdarmsyndrom nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, sondern vom Arzt abklären zu lassen. Nur auf solche „Wunderpillen“ zu vertrauen, kann gefährliche Folgen haben.
Autor: Daniel Güldner
Bildquelle: Colourbox
#Reizdarm #Kijimea #Bauchschmerzen
Diese Pillen sollen helfen bei Reizdarmbeschwerden - der Originalton im YouTube-Spot: „Ständig Durchfall, Blähungen und Bauchschmerzen. Dann hat mein Arzt mir das neue Kijimea empfohlen. Meine Darmbeschwerden waren wie weg.“ – „Wie weg.“ -– „Super Sache, dieses Kijimea Reizdarm Pro.“
Unterschiedliche Darmbeschwerden
Das Reizdarmsyndrom ist ein Volksleiden. Geschätzt 17 Prozent der Deutschen sind betroffen. Der Arzneimittelexperte Professor Gerd Glaeske sagt, vor allem die Vielfältigkeit der Beschwerden erzeuge bei Betroffenen hohen Leidensdruck. Es seien vor allen Dingen Bauchschmerzen, aber auch Durchfälle oder Verstopfung.
Marktführer Kijimea: Kapseln mit speziellen Bakterien
Eine Krankheit, die viele haben. Die Ursache ist unklar. Kijimea ist das meistverkaufte Produkt im Bereich Darmgesundheit. Der Jahresumsatz lag 2019 bei knapp 40 Millionen Euro – allein in Deutschland. Umgerechnet 1,26 Euro pro Kapsel kostet „Kijimea Reizdarm Pro“ - das mit Abstand teuerste Produkt, aber auch das bekannteste. Es will die Symptome mit speziellen Bakterien bekämpfen.
Experten äußern Kritik
Für das Fachmagazin „arznei-telegramm“ hat Chefredakteur Wolfgang Becker-Brüser mit seinem Team die Studien zu „Kijimea Reizdarm Pro“ genau analysiert. Er ist selbst Arzt und Pharmakologe und sieht die Werbung kritisch. Es würden zwar Effekte nachgewiesen, aber die Beschwerden würden nur gelindert und das nicht bei jedem.
Der Hersteller Synformulas gründet seine Werbung auf eine Studie aus 2020, die er selbst beauftragt hat, und teilt mit: „Es konnte bei allen RDS-Symptomen (…) eine signifikante Verbesserung festgestellt werden. Diese Werte umfassen mit Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und Verstopfung alle typischen Leitsymptome des RDS.“
Nur etwas besser als ein Placebo
„Signifikante Verbesserung“ bezeichnet einen rein statistischen Wert. Für die „Kijimea Reizdarm Pro“-Studie hat eine Hälfte der rund 430 Probanden Kijimea-Kapseln eingenommen, die andere Hälfte ein wirkungsloses Placebo.
Gesundheitswissenschaftler Professor Gerd Glaeske erklärt: „Wenn man Placebo und Kijimea vergleicht, sind die Placebo-Werte gerade mal 15 Prozent unter dem Kijimea-Wert. Das ist ein Bereich, der aus pharmakologischer, aus arzneimitteltherapeutischer Sicht eigentlich relativ wenig aussagt. Das heißt, wenn überhaupt, wirkt es ein bisschen besser vielleicht wie Placebo.“ Man könne nicht darauf hoffen, dass Beschwerden „wie weg“ seien.
Alte Studie für neues Kijimea Reizdarm Pro verwendet
Ärzte des Hamburger Israelitischen Krankenhauses haben die Studie durchgeführt. Wir fragen nach: Die Forscher halten die Werbung teilweise für überzogen. Nur bei einer kleinen Gruppe konnte eine Verbesserung erreicht werden. Bei zwei Dritteln der Anwender tue sich quasi gar nichts. Von der Werbeaussage, das neue „Kijimea Reizdarm Pro“ sei „40 Prozent wirksamer“ distanziere man sich - das habe man gar nicht untersucht. Hier zieht der Hersteller eine andere Studie aus 2011 heran - zum Vorgängerprodukt „Kijimea Reizdarm“. Diese sei ganz anders angelegt gewesen.
Medizinprodukte brauchen keine Zulassung
Diese Werbung ist möglich, weil „Kijimea Reizdarm Pro“ als Medizinprodukt vertrieben wird. Anders als bei Arzneimitteln muss hier die Wirkung nicht nachgewiesen werden. Chefredakteur Wolfgang Becker-Brüser erklärt, bei Medizinprodukten könne der Hersteller eine Zulassung durch Behörden wie für Arzneimittel umgehen.
Von der zuständigen Regierung Oberbayern erfahren wir: „Die klinische Bewertung (..) liegt in der Verantwortung des Herstellers. Eine behördliche Überprüfung analog eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens ist im Medizinprodukterecht nicht vorgesehen.“
Wichtig: Reizdarmsyndrom vom Arzt abklären lassen
Gesundheitswissenschaftler Professor Glaeske sieht die „Kijimea Reizdarm Pro“-Werbung kritisch und rät zudem, das Reizdarmsyndrom nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, sondern vom Arzt abklären zu lassen. Nur auf solche „Wunderpillen“ zu vertrauen, kann gefährliche Folgen haben.
Autor: Daniel Güldner
Bildquelle: Colourbox
#Reizdarm #Kijimea #Bauchschmerzen
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