Tötung von Tieren - Ethische Fragen

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Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Birnbacher am 06.05.2014 an der Universität Heidelberg im Rahmen der Vorlesungsreihe 2014 der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Tierethik (IAT).
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Ein zentraler Punkt für die Berechtigung des Tötens nichtmenschlicher Tiere lautet nach meinem Verständnis wie folgt: Tiere besitzen wegen ihres fehlenden 'Bewusstseins zu leben' kein Lebensinteresse in dem Sinne, dass sie über den instinktiv vorhandenen Selbsterhaltungsdrang hinausgehend Bestrebungen aufweisen, die Lebenszeit zu maximieren.
Mit 'Bewusstsein zu leben' ist die Erkenntnis gemeint, ein sterbliches Wesen zu sein, welches entweder existent (lebend) oder nicht existent (tot) sein kann. Erst durch das Wissen von der eigenen Sterblichkeit ergibt sich der Wunsch nach Überdauerung. Demnach präferieren nichtmenschliche Tiere in Gefahrensituationen nicht das Leben vor dem Tod, sondern sie präferieren das wohlige Gefühl von Sicherheit vor dem beängstigenden Gefühl von Bedrohung. Also kann man, so die Behauptung, ein nichtmenschliches Tier leidfrei töten, ohne dabei moralisches Unrecht zu tun, weil mit dem Eintreten des Todes kein bewusstes Interesse des nichtmenschlichen Tieres verletzt wird. Dabei wird suggeriert, dass ein menschliches Tier ebendieses bewusste Interesse am Leben habe, wenn es ohne Vorahnung und ohne Leid getötet wird. Dies ist jedoch so nicht der Fall. Menschliche Tiere können zwar einen bewussten Lebenswillen ausformulieren, wenn sie gerade einen gedanklichen Fokus auf ihre Sterblichkeit werfen, aber in dem bereits erwähnten Tötungsszenario besteht diese gedankliche Fixierung im Augenblick der Tötung nicht. Es handelt sich hierbei also nicht um die Verletzung eines bewussten Interesses, sondern um die Verletzung eines unbewussten Interesses. Das Interesse wäre dann bewusst, wenn dem menschlichen Tier die Tötung vorher angekündigt wird. Ein unbewusstes Interesse ist vorhanden, wenn das Subjekt bei Bewusstsein um die Bedrohung ein bestimmtes Interesse zeigt. Angewendet auf die Tötungsfrage kann argumentiert werden, dass nichtmenschliche Tiere genauso wie menschliche Tiere ein instinktives Lebensinteresse aufzeigen, wenn sie sich bewusst in einer bedrohlichen Lage befinden, wonach ebenfalls ein unbewusstes Interesse am Leben bestehen würde. Der menschliche Lebenswille basiert letztlich wie der tierische Lebenswille nur auf instinktivem Verhalten, da sich kein rein vernunftorientierter Beweggrund für das Interesse am Leben finden lässt. Wir sind uns unseres zeitlich begrenzten Daseins bewusst und entwickeln demnach den Wunsch, noch lange weiterzuleben. Das Wissen über unsere Sterblichkeit ist jedoch nicht die Ursache unseres Lebenswillens, sondern schlichtweg ein Auslöser unseres Überlebensreflexes. Der eigentliche Grund für unseren Willen weiterzuleben ist instinktiver/emotionaler Natur und entsteht nicht erst durch bewusstes Denken. Bewusstes Denken kann uns oftmals die Erkenntnis über eine äußere Bedrohung geben, die von nicht bewusst denkenden Wesen nicht wahrgenommen werden kann. Diese Erkenntnis (z.B. eigene Sterblichkeit) kann dann Auslöser instinktiver/emotionaler Überlebensreaktionen sein. Wir nehmen den natürlichen Tod im Grunde nur als besondere Form einer Bedrohung unseres Lebens wahr und reagieren dementsprechend in gleicher oder ähnlicher Weise darauf wie bei einer unmittelbaren und direkten Bedrohung. Wie bereits erwähnt wurde berücksichtigen wir das Interesse eines menschlichen Tieres am Leben, wenn dieses keine bewusste Vorstellung von der Verletzung seiner Interessen hat, so wie es bei einer plötzlichen, unerwarteten, unvorhergesehenen, leidfreien Tötung gegeben wäre. Dies wird damit begründet, dass das menschliche Tier ein Interesse am Leben aufzeigen würde, wenn es die Bedrohung seiner Interessen wahrnähme. Weil ein nichtmenschliches Tier in gleicher Weise ein Interesse am Leben aufzeigt, wenn es sich einer Bedrohung seiner Interessen bewusst ausgesetzt sieht, dann muss dieses Interesse am Leben auch berücksichtigt werden.

TheMagicman
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wissenschaftlich exzellent. Mögen wir doch auch noch die Brücke schlagen von der Ratio zur Emotion, denn jede für sich ist hilflos. Mir scheint, dass die Beweislast, sich für die vegane Lebensweise zu entscheiden, zunimmt.

walter