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Frühling – von Joseph Roth
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Joseph Roth: Frühling
(erschienen im Prager Tagblatt am 11.5.1918)
Frühling, Deine Blütenhände
gleiten über Erdenwellen
und aus Tiefen überschwellen
Säfte Tal und Hügellände.
An den Wegen, die ich schreite,
lächeln alte Meilensteine,
junge Birke lacht in eine
glücksumspannte Sonnenweite.
Stunden, die ich gar nicht zähle,
taumeln trunken von den Türmen,
fallen golden in das Stürmen
meiner maidurchwühlten Seele.
Alle Gräser wispern Kunde
von dem grünen Zauberwirken - -
wie mich Strauch und Baum umzirken,
fühle ich mich eins im Bunde
mit der saftdurchtränkten Rinde,
mit dem Stein am Grabenrande,
mit dem weißen Straßenbande
mit der Wolke, mit dem Winde . . .
Quillt in mir ein starker Glaube
wie der Saft in jungem Weine:
Alles bin ich im Vereine:
Gott und Mensch und Wurm im Staube. –
Illustration: Johann Grün
Moses Joseph Roth kam am 2. September 1894 im galizischen Schtetl Brody (Ostgalizien, Österreich-Ungarn, heute: Ukraine) als Sohn eines Getreidehändlers zur Welt. Die Geschichte seines Vaters prägte Joseph Roths Kindheit, da der Vater nach Hamburg reiste, um sich um die Veruntreuung eingelagerter Ware zu kümmern und auf der Rückfahrt im Zug durch sein Verhalten derart auffiel, dass man ihn in eine Anstalt für Geisteskranke einwies und ihn anschließend in die Obhut seiner westgalizischen Verwandten übergab. Diese brachten ihn zu einem russisch-polnischen Wunderrabbi, wo er mehrere Jahre lebte und schließlich vom Onkel Joseph Roths ausfindig gemacht wurde. Joseph Roth, der vaterlos aufgewachsen war und sich für den unzurechnungsfähigen Vater zutiefst schämte, verschleierte seine Herkunft später. So behauptete er z.B., der außereheliche Sohn eines österreichischen Offiziers, eines polnischen Grafen oder eines Wiener Munitionsfabrikanten zu sein. Die Mutter zog ihren Sohn mit Hilfe eines Dienstmädchens auf. Joseph Roth lernte bereits früh das Violinspiel und besuchte das Gymnasium. Anschließend studierte er Germanistik in Lemberg, später in Wien. Dort verfasste er auch seine ersten literarischen Werke. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Soldat teil und wendete sich gegen Ende seiner Zeit beim Militär dem Journalismus zu. 1923 wurde er bei der Frankfurter Zeitung angestellt. Seinen ersten Roman "Das Spinnennetz" veröffentlichte er im Feuilleton der Wiener Arbeiter-Zeitung. Es folgten mehrere Romane, die die Nachkriegszeit ironisch-distanziert porträtierten.
1930 erschien "Hiob", 1930 "Radetzkymarsch", ein Requiem auf das Habsburgerreich. Dieses Werk zählt zu den bedeutendsten Romanen des 20. Jahrhunderts.
Ab 1933 lebte Roth aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten im französischen Exil. In dieser Zeit entstanden seine Romane "Beichte eines Mörders, erzählt in einer Nacht" (1936), "Das falsche Gewicht" (1937) sowie "Die Kapuzinergruft" (1938). Zu seinen bekanntesten Werken zählen neben seinen Romanen auch die Novelle "Die Legende vom heiligen Trinker" sowie der Essay "Juden auf Wanderschaft". Joseph Roth starb am 27. Mai 1939 an den Folgen seiner Alkoholkrankheit in Paris. Er wurde nur 44 Jahre alt.
#Frühlingsgedicht #Gedicht #Lyrik
(erschienen im Prager Tagblatt am 11.5.1918)
Frühling, Deine Blütenhände
gleiten über Erdenwellen
und aus Tiefen überschwellen
Säfte Tal und Hügellände.
An den Wegen, die ich schreite,
lächeln alte Meilensteine,
junge Birke lacht in eine
glücksumspannte Sonnenweite.
Stunden, die ich gar nicht zähle,
taumeln trunken von den Türmen,
fallen golden in das Stürmen
meiner maidurchwühlten Seele.
Alle Gräser wispern Kunde
von dem grünen Zauberwirken - -
wie mich Strauch und Baum umzirken,
fühle ich mich eins im Bunde
mit der saftdurchtränkten Rinde,
mit dem Stein am Grabenrande,
mit dem weißen Straßenbande
mit der Wolke, mit dem Winde . . .
Quillt in mir ein starker Glaube
wie der Saft in jungem Weine:
Alles bin ich im Vereine:
Gott und Mensch und Wurm im Staube. –
Illustration: Johann Grün
Moses Joseph Roth kam am 2. September 1894 im galizischen Schtetl Brody (Ostgalizien, Österreich-Ungarn, heute: Ukraine) als Sohn eines Getreidehändlers zur Welt. Die Geschichte seines Vaters prägte Joseph Roths Kindheit, da der Vater nach Hamburg reiste, um sich um die Veruntreuung eingelagerter Ware zu kümmern und auf der Rückfahrt im Zug durch sein Verhalten derart auffiel, dass man ihn in eine Anstalt für Geisteskranke einwies und ihn anschließend in die Obhut seiner westgalizischen Verwandten übergab. Diese brachten ihn zu einem russisch-polnischen Wunderrabbi, wo er mehrere Jahre lebte und schließlich vom Onkel Joseph Roths ausfindig gemacht wurde. Joseph Roth, der vaterlos aufgewachsen war und sich für den unzurechnungsfähigen Vater zutiefst schämte, verschleierte seine Herkunft später. So behauptete er z.B., der außereheliche Sohn eines österreichischen Offiziers, eines polnischen Grafen oder eines Wiener Munitionsfabrikanten zu sein. Die Mutter zog ihren Sohn mit Hilfe eines Dienstmädchens auf. Joseph Roth lernte bereits früh das Violinspiel und besuchte das Gymnasium. Anschließend studierte er Germanistik in Lemberg, später in Wien. Dort verfasste er auch seine ersten literarischen Werke. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Soldat teil und wendete sich gegen Ende seiner Zeit beim Militär dem Journalismus zu. 1923 wurde er bei der Frankfurter Zeitung angestellt. Seinen ersten Roman "Das Spinnennetz" veröffentlichte er im Feuilleton der Wiener Arbeiter-Zeitung. Es folgten mehrere Romane, die die Nachkriegszeit ironisch-distanziert porträtierten.
1930 erschien "Hiob", 1930 "Radetzkymarsch", ein Requiem auf das Habsburgerreich. Dieses Werk zählt zu den bedeutendsten Romanen des 20. Jahrhunderts.
Ab 1933 lebte Roth aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten im französischen Exil. In dieser Zeit entstanden seine Romane "Beichte eines Mörders, erzählt in einer Nacht" (1936), "Das falsche Gewicht" (1937) sowie "Die Kapuzinergruft" (1938). Zu seinen bekanntesten Werken zählen neben seinen Romanen auch die Novelle "Die Legende vom heiligen Trinker" sowie der Essay "Juden auf Wanderschaft". Joseph Roth starb am 27. Mai 1939 an den Folgen seiner Alkoholkrankheit in Paris. Er wurde nur 44 Jahre alt.
#Frühlingsgedicht #Gedicht #Lyrik
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