UWE NOLTE 'Onkel Franz'

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Lesung beim "Orphischen Kreis" im Cafe Heider/Potsdam (Februar 2017)

ONKEL FRANZ

Als ich ein Junge war, da rief
Ein Traum ins Kinderzimmer
Den Onkel Franz, als ich fest schlief,
Beschirmt von Sternenschimmer.

Er löste seines Schattens Bann
In eines Geistes Weise,
Trat zu mir nah ans Bett heran
Und sprach ganz leise, leise:

"Dein Vater, der mein Bruder war,
Er brachte mich zum Zuge,
Gab mir die Hand, auch ihm war klar:
Wir gingen treu dem Truge!

Man sprach vom Krieg in Volkes Chor,
Man wies zum Feind, der drängte,
Man kurz mir meine Haare schor,
Man mich in Stiefel zwängte,

Man zog mir an ein graues Kleid,
Man gab mir eine Nummer,
Man meinte meiner Mutter Leid,
Sei aller Mütter Kummer.

Ich log den Eid der Vielen nach,
Bin ostwärts dann gezogen,
Bis eines Panzers Schuß zerbrach
Mein Heil am Kursker Bogen.

Ich habe keine Hände mehr,
Sie wurden abgerissen:
Wen soll umarmen ich und wer
Wird mich denn je vermissen?

Nie sah ich eines Mädchens Pracht
In abendlichen Farben! -
Auch meine Augen fraß die Nacht
Im Schein der Feuergarben.

Nun meines Blutes Wünsche sind
Verstreut in fremder Erde
Und meine Jugend weint im Wind,
Weil ich nicht finden werde

Den Frieden, der dem Mann bestimmt
Auf heimatlicher Krume,
Der Leben gibt und es nicht nimmt
Und pflückt der Liebe Blume.

Ich stürme unerlöst dahin,
Im Nirgendwo gefangen,
Ich habe kaum gelebt, ich bin
Ein irrendes Verlangen.

Willst du nun leben für mich, ach,
Bis das dein Herz verglimme?"
Ich sagte "Ja" und wurde wach
Von meiner eignen Stimme.

Ich saß im Bett, allein und rang
Nach Atem, wollte reden
Und durch das offne Fenster drang
Ein Hauch vom Garten Eden.

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