Brigitte Hilcher: Regionale Wirtschaftskreisläufe stärken

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Globale Probleme regional angehen, das ist vermutlich einer der am häufigsten genannten Ansätze, wenn es um die Arbeit an einer nachhaltigen Zukunft geht. Die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe ist mit Sicherheit ein solcher Ansatz, zumal, wenn sie ökologische Kriterien berücksichtigt. Doch leider ist es mit regionalen Wirtschaftskreisläufen ähnlich wie mit der Nachhaltigkeit: Die Theorie stößt bei vielen von uns auf große Zustimmung, doch in der Praxis ist es mit unserer Konsequenz oft nicht weit her.

Für den Anteil des regionalen Warenverkehrs am gesamten Handel in Deutschland gibt es keine gesicherten Zahlen – sicher ist allerdings, dass er sich höchstens im einstelligen Prozentbereich bewegt, verdeutlicht Brigitte Hilcher den weiten Weg, der hier noch zurückzulegen ist. Die Vorsitzende des Landesverbands Regionalbewegung NRW, gleichzeitig stellvertretende Geschäftsführerin im Bundesverband Regionalbewegung, benennt eine weitere Herausforderung, die ihre Arbeit nicht leichter macht: Die genaue Definition regionaler Wirtschaftskreisläufe – zumal nachhaltiger – gibt es nicht. Sind Wirtschaftsbeziehungen innerhalb eines Bundeslandes noch regional?

Bündeln und vernetzen

Der Bundesverband der Regionalbewegung versteht sich als Dachverband für die vielfältigen Protagonist:innen regionalen Wirtschaftens, als »Kompetenznetzwerk für Regionalität«. Bundesverband und aktuell vier Landesverbände bündeln die Aktivitäten hin zu einer regionalen nachhaltigen Entwicklung, unterstützen und vernetzen die regionalbewegten Akteur:innen und leisten Lobbyarbeit für die Stärkung ländlicher Räume. Der Schwerpunkt liegt bislang klar bei den Themen Ernährung und Lebensmittel. Derzeit vertritt der Bundesverband der Regionalbewegung rund 330 Mitgliedsorganisationen.

Brigitte Hilcher stellt klar, worum es der Regionalbewegung vor allem geht: »Unser wichtigstes Ziel ist es, die natürlichen Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu verbessern. Leistungsfähige regionale Wirtschaftskreisläufe können dazu in unseren Augen einen wichtigen Beitrag leisten.« Es gebe überhaupt keinen Grund, gleichwertige Produkte hin- und herzufahren, etwa deutsche Tomaten nach Holland und umgekehrt.

»Die Art und Weise, wie wir derzeit wirtschaften, führt zu immer größeren Umweltproblemen und Biodiversitätsverlusten.« Bereits 2014 hat der Landesverband NRW die Auszeichnung »REGIONAL PLUS – fair für Mensch und Natur« an solche Regionalvermarktungsinitiativen in Nordrhein-Westfalen verliehen, die mit ihren Qualitätskriterien für eine umwelt- und klimaschonende Erzeugung und Verarbeitung regionaler Produkte stehen.

David gegen Goliath

Nicht nur die Vielfalt von Tieren und Pflanzen ist bedroht: Brigitte Hilcher erinnert an den 18. September 2019, als der Bundesverband der Regionalbewegung auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor in Berlin mit der Aktion »Die Letzten ihrer Art« auf den dramatischen Rückgang der Lebensmittelhandwerksbetriebe aufmerksam machte. »Fleischer, Bäcker, Gastwirte und Landwirte, die handwerklich im regionalen Wirtschaftskreislauf arbeiten, sind die Gestalter und Garanten unserer kulinarischen Vielfalt und akut vom Aussterben bedroht«, warnte damals Heiner Sindel, 1. Vorsitzender des Bundesverbands der Regionalbewegung.

Seither habe sich nicht viel geändert, sagt Brigitte Hilcher, im Gegenteil: »Viele Betriebe, die für die regionale Nahversorgung zuständig sind, stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Und immer mehr Landwirte sagen uns, dass sie nicht wissen, wie lange sie das noch durchhalten.« Letztendlich sei es immer noch ein Kampf David gegen Goliath, so Brigitte Hilcher, gegen eine seit Jahrzehnten auf Zentralisierung und global agierende Strukturen angelegte Wirtschaft. Und grundsätzlich sei unser Wirtschaftssystem auf den Weltmarkt ausgerichtet, auch ein Großteil der Politiker:innen in Nordrhein-Westfalen sähen den Wirtschaftsstandort NRW vor allem als Akteur auf der globalen Ebene.

Und der Handel? Brigitte Hilcher muss lachen: »Wenn im Supermarkt über Lautsprecher für regionale Produkte geworben wird, denke ich immer, haben die das bei uns abgeschrieben?« Es gebe durchaus Vorreiter, vor allem inhabergeführte Märkte oder auch tegut, aber grundsätzlich füllten regionale Produkte weiterhin nur eine – wenn auch wachsende und gerne beworbene – Nische. Kaum zu verstehen, meint Brigitte Hilcher angesichts des großen Interesses der Verbraucher:innen an regionalen Produkten, das regelmäßig in Umfragen oder auch dem Ernährungsreport des Bundeslandwirtschaftsministeriums deutlich wird.
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