filmov
tv
Athletik-Konferenz 2022
Показать описание
Veranstaltungsbericht Athletikkonferenz 2022
„Performance Optimization“, „Load Management“,
„Return to Play“ – das Berufsbild
des Athletiktrainers gewinnt immer
mehr an Bedeutung. Vor Jahren noch als
„Warmmacher“ belächelt oder als „Fitness-
Guru“ verklärt, verfügt beispielsweise
im Fußball heute ausnahmslos jeder
Profi-Club über eine eigene Athletik- und
Reha-Abteilung – mit klar definierten Strukturen,
Aufgaben und Zuständigkeiten. Dennoch
ist das junge Berufsbild des Athletiktrainers
noch immer ein sehr dynamisches,
das aufgrund des permanenten Zuwachses
an wissenschaftlichen Daten einerseits und
der wachsenden Praxiserfahrung andererseits
einem steten Wandel unterworfen
ist – was innerhalb der Szene nicht selten
zu sehr kontroversen Standpunkten führt,
die dann auch mit Verve diskutiert werden.
Einen Eindruck dieses Spagats zwischen
harten Daten und breiten Interpretationsmöglichkeiten
sowie den daraus folgenden
Diskussionen bekamen Besucher
der Athletikkonferenz 2022, die am 3. und
4. September an der Sportschule Hennef
stattfand.
Die internationalen Referentinnen und Referenten
kamen aus den unterschiedlichsten
Disziplinen, u. a. Sportwissenschaft,
Neurobiologie, Datenmanagement und
Trainerstab. Inhaltlich kreisten die Vorträge
vorwiegend um verschiedene technische
und diagnostische Mittel, mittels derer die
Performance von Athleten weiter optimiert
werde könnte: das täglichen Abfragen von
subjektivem Befinden der Sportler mittels
App, die laborgestützte Bestimmung der
Darmflora, die GPS-gestützte Trainingsplanung
oder die Bedeutung der Chronobiologie.
Auf der anderen Seite standen jedoch
auch Beiträge, die man beinahe schon als
„Gegenbewegung“ zu den teils hoch technisierten
Trainingssteuerungsmethoden
interpretieren konnte. Einer davon war der
wissenschaftlich sehr fundierte Vortrag von
Thieme-Autor Daniel Kadlec, der unter anderem
dafür plädierte, das eigene Portfolio
an Übungen regelmäßig „auszumisten“,
anstatt es immer mehr zu erweitern. Eine
seiner Botschaften: „Nutze, was sich lange
bewährt hat – und setze nicht immer auf die
neuen Trends, denn die meisten davon werden
später sowieso wieder an Wichtigkeit
verlieren.“ Im Training von Spielsportlern
plädierte er dafür, durch Veränderungen
des „normalen“ Bewegungsablaufs – etwa
durch entgegengesetzte Oberkörperrotation,
Tragen eines Gewichts etc. – gezielt
die Belastung auf verschiedene Gelenke zu
erhöhen, um den Athleten damit auf das
„Chaos“ an Bewegungen und Belastungen
vorzubereiten, auf das er im Match zwangsläufig
treffen wird.
Bemerkenswert in anderer Weise war
der Auftritt der im Profifußball bekannten
Größe Raymond Verheijen, einem in
den Niederlanden geborenen ehemaligen
Fußballer, der Profivereine in Trainingsfragen
berät: Die ersten beiden Minuten
seines Vortrags verbrachte er damit, darauf
zu warten, dass auch die Nachzügler
Platz genommen hatten. Dann eröffnete
er mit den Worten, man habe ihm gesagt,
bei dieser Konferenz seien viele Experten,
die mit Profifußballern zusammenarbeiten.
Was er hier jedoch sehe, sei ein Haufen
von Amateuren. Denn wie könne man Profi
sein, wenn man eines der Dinge, die man
von „seinen“ Sport-Profis erwarte – nämlich
Pünktlichkeit –, selbst nicht als wichtig
erachte. Als er dann einige Minuten später
noch einen Teilnehmer anblaffte, der,
ohne vorher zu fragen, eine der Folien abfotografierte,
saß das Publikum endgültig
da wie ein Haufen Erstklässler vorm Rektor.
Im Vortrag selbst thematisierte Verheijen
die „Football Fitness“. Diese besteht für ihn
nicht darin, als Spieler beispielsweise lange
rennen oder schnell mit einem Ball um Hütchen
herumdribbeln zu können. Vielmehr
sollte ein Spieler die 3 Fähigkeiten „communicate“,
„decide“ und „execute“ während
eines Spiels bestenfalls bei 100 % halten
– und zwar sowohl hinsichtlich der Frequenz
als auch in Bezug auf die Qualität.
Dass während des Vortrags jeder der Zuhörer darauf achtete, seinen Stift am Herunterfallen
zu hindern, und die Handys durchweg
in den Taschen blieben, spricht zumindest
für die enorme Autorität Verheijens.
Eine insgesamt sehr gelungene Veranstaltung
mit rund Teilnehmenden, 2 Vortragssträngen,
Industrieausstellung und
leckerem Catering. Eine Empfehlung für
jeden und jede, der bzw. die sich für diesen
Bereich interessiert!
(Quelle: Thieme Verlag | Autor: Joachim Schwarz)