„Streckbetrieb“ gegen Putins Gas-Kralle: Nuklearexperten schätzen Lage ein

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#putin #gas #krieg

Derzeit wird über eine Verlängerung der drei noch im Betrieb befindlichen deutschen AKWs über Dezember hinaus diskutiert. Infrage kommt dabei vor allem ein sogenannter Streckbetrieb. Was das bedeutet, erklärt Nuklearexperte Christoph Pistner vom Öko-Institut in Freiburg.

2011, nach der Atomkatastrophe in Fukushima, beschloss die Regierung Merkel, der Atomkraft zu entsagen und alle deutschen AKWs auslaufen zu lassen. Ende dieses Jahres sollte es so weit sein, die letzten drei laufenden Atomkraftwerke sollen dann vom Netz genommen werden.
Nur: Jetzt ist Gaskrise! Und vor allem aus Union und FDP kommt deshalb mittlerweile vermehrt der Vorschlag, man könne die Laufzeit dieser drei AKWs doch einfach verlängern, um Zeit und Energie zu gewinnen. „Tut es für Deutschland“, schrieb etwa CDU-Chef Friedrich Merz in der „Bild“.

Doch ist dieser Vorschlag praktikabel? Was wäre nötig, um eine Laufzeitverlängerung zu bewerkstelligen?
Zunächst einmal: Die drei verbliebenen Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 sorgen derzeit noch für etwa fünf Prozent des deutschen Stroms. Das würde sich auch nicht ändern, wenn man längere Laufzeiten beschließen würde. Denn die Betreiber der AKWs müssten dann in einen sogenannten Streckbetrieb übergehen.
Christoph Pistner, Bereichsleiter Nukleartechnik und Anlagensicherheit im Öko-Institut in Freiburg, erklärt im „Tagesspiegel“: „Mit dem Streckbetrieb ist es grundsätzlich möglich, weitere rund 60 bis 90 Tage zu gewinnen – bei sukzessive abgesenkter Leistung“. Die Kraftwerke würden dann nicht mehr mit voller Leistung laufen, sondern mit den Brennstäben haushalten, um weitere 12 Wochen Laufzeit zu gewinnen – in anderen Worten: den Betrieb zu strecken.

Dies sei derzeit die einzig mögliche Alternative, da sich die Betreiber der AKWs seit langem auf ein Ende des Betriebs in 2022 eingestellt und deshalb keine zusätzlichen Brennstäbe geordert hätten.
Horst-Michael Prasser, seit 2021 emeritierter Professor für Kernenergiesysteme an der ETH Zürich, ergänzt: „Der Streckbetrieb ist eine lange erprobte und praktizierte Möglichkeit“. Er sei jetzt allerdings nur möglich, wenn die Betreiber nicht ohnehin schon mit abgesenkter Leistung bis in den Dezember geplant hätten.
Christoph Pistner hält den Nutzen dieser zusätzlichen 60-90 Tage allerdings nur für sehr begrenzt. „Die Atomenergie hat ein völlig anderes Lastprofil. Sie kann die Funktion der Gaskraftwerke zum sehr kurzfristigen Leistungsausgleich nicht sinnvoll ersetzen“, begründet Pistner seine Zweifel an der Verlängerung.

Zu diesem Ergebnis kommt indes auch ein Gutachten des Bundesumweltministeriums. Darin heißt es: „Der Beitrag einer AKW-Laufzeitverlängerung zur Energieversorgung wäre sehr begrenzt. Diesem geringen Beitrag stehen nicht nur eine Reihe praktischer Probleme gegenüber, sondern auch verfassungsrechtliche Schwierigkeiten und Aspekte der Sicherheit für Mensch und Umwelt.“
Keine Bedenken sieht hingegen Professor Prasser. Im Tagesspiegel erklärt er: „Die verbliebenen Atomkraftwerke könnten ohne Probleme 60 Jahre oder weit länger sicher laufen, wenn Zulieferketten für die Instandhaltung und der Kompetenzerhalt im Bereich Kerntechnik gesichert wird.“ Es handele sich laut Prasser lediglich um eine politische Akzeptanzfrage.
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