Coronavirus, Masern, Tuberkulose. Warum ist nicht jeder Infizierte ansteckend?

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Vortrag von apl.-Prof. Dr. Henning Allmers | Institut für Gesundheitsforschung und Bildung, Fachbereich Humanwissenschaften, Leiter des Betriebsärztlichen Dienstes
Nicht jeder, der während der Erkältungszeit in einer voll besetzten Straßenbahn fährt oder ein erkranktes Familienmitglied versorgt, wird krank. Denn unser körpereigenes Immunsystem kann viele Krankheitserreger erfolgreich abwehren, denen wir ausgesetzt werden. Zudem sind nicht alle Keime gleich ansteckend. Einige Erreger werden nur durch intensiven Kontakt übertragen – andere sind dagegen so hochansteckend, dass schon ein Aufenthalt im selben Zimmer für eine Infektion ausreicht. Manche Keime fängt man sich beim Verzehr belasteter Lebensmittel ein oder auch über verunreinigtes Wasser. Eine Ansteckung mit Tuberkulose erfolgt längst nicht so leicht wie bei einigen anderen – ebenfalls durch Tröpfcheninfektion übertragenen – Krankheiten, wie Masern oder Windpocken. Ob es zu einer Infektion kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab: zum einen von Menge und Aggressivität (Virulenz) des Erregers, der Abwehrlage der exponierten Person und zum anderen wie lange und wie häufig man mit der oder dem Kranken in Kontakt stand. So scheiden Kinder mit offener Tuberkulose beispielsweise nur kleine Erregermengen aus, sodass eine Ansteckung sehr unwahrscheinlich ist. Über den Luftweg übertragene Infektionen gehen deshalb fast immer von Erwachsenen aus. Andere Übertragungswege sind zwar theoretisch möglich, in der Realität aber selten. Masern sind heute zwar viel seltener als vor der 50 Jahre zurückliegenden Einführung der Impfung. Wer jedoch nicht immun ist und mit den Viren in Kontakt kommt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Masern bekommen. Denn Masern sind extrem ansteckend. Die Viren werden ganz leicht von Mensch zu Mensch, zum Beispiel beim Sprechen, Husten oder Niesen, übertragen (Tröpfcheninfektion). Das kann schon fünf Tage vor Auftreten des typischen Hautausschlags passieren – also bevor die Überträger selbst wissen, dass sie die Masern haben. Die Masernerkrankung beginnt mit grippeähnlichen Symptomen wie hohem Fieber, Husten und Schnupfen. Einige Tage später entwickelt sich der typische Hautausschlag. Etwa zehn von 10.000 Masernkranken bekommen eine Gehirnentzündung. Ein bis zwei von ihnen sterben. Bei zwei bis drei Betroffenen bleiben schwere Folgeschäden wie geistige Behinderungen und Lähmungen zurück. Sehr selten kann einige Jahre nach einer Masernerkrankung bei etwa vier bis elf von 100.000 Masernfällen eine subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) auftreten. Diese schleichende Zerstörung der Zellen des Gehirns verläuft immer tödlich. Kinder unter fünf Jahren sind besonders gefährdet. Die Inkubationszeit, also die Dauer von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung, beträgt beim Corona-Virus SARS-CoV-2 im Mittel fünf bis sechs Tage. In verschiedenen Studien wurde berechnet, dass nach 10 bis 14 Tagen 95 Prozent der Infizierten Krankheitszeichen entwickelt hatten. Vor allem, wenn man Krankheitszeichen hat, ist man ansteckend. Die höchste Ansteckungsfähigkeit besteht im Zeitraum um den Beginn von Krankheitszeichen. Ein Übertragungsrisiko besteht aber auch schon zwei bis drei Tage vor Auftreten von Krankheitszeichen (präsymptomatisch). Ein relevanter Anteil von Personen steckt sich bei Infizierten innerhalb von ein bis zwei Tagen vor deren Krankheitsbeginn an. Vermutlich gibt es auch Übertragungen von Personen, die zwar infiziert und ansteckend sind, aber selbst gar nicht erkranken (asymptomatische Übertragung). Diese Ansteckungen spielen jedoch wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle.
apl. Prof. Dr. Henning Allmers
Universität Osnabrück
Institut für Gesundheitsforschung und Bildung (IGB)
Leiter des Betriebsärztlichen Dienstes
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