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Hartz IV, Bürgergeld und Grundeinkommen
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15.12.21
Die neue Regierung ist vereidigt und hat sich die Einführung eines Bürgergeldes auf die Fahnen geschrieben. Wie viel Hartz IV ist im geplanten im Bürgergeld? Gelingt eine Reform? Ist das Grundeinkommen nicht die viel bessere Variante? "Hartz IV, Bürgergeld, Grundeinkommen: Was ist gerecht?“ – darüber sprechen wir bei "Dienstags direkt".
Unsere Gäste:
- Professor Jürgen Schupp, Deutsches Institut für Wirtschaft (DIW)
- Claudia Cornelsen, Autorin, PR-Beraterin, Mitglied im Verein "Sanktionsfrei" und "Mein Grundeinkommen"
- Fabian Funke, Bundestagsabgeordneter (SPD) und Landesvorsitzender der Jusos in Sachsen
- Henning Vöpel, Direktor des Centrum für Europäische Politik
Millionen Menschen in Deutschland sind auf Leistungen des Staates angewiesen. Dazu gehören längst nicht nur die Empfänger des Arbeitslosengeld II (ALG II) – vor allem unter dem Namen Hartz IV bekannt. Dazu gehören auch die sogenannten Aufstocker, also alle Menschen, deren Verdienst nicht zum Leben reicht und die zusätzlicher staatlicher Hilfe bedürfen, um das Existenzminimum zu decken.
Nach Angaben des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen waren 2020 über 900.000 sogenannte Niedriglohnbeschäftigte, Selbstständige und Minijobber auf staatliche Unterstützung angewiesen, um ein Leben zumindest am Existenzminimum zu fristen. "Es zeigt sich ein deutlicher Bedeutungszuwachs der 'AufstockerInnen'", schreiben die Autoren. Demnach machten diese mittlerweile knapp ein Viertel aller ALG II- Berechtigten aus. Insgesamt hätten 2020 knapp vier Millionen Menschen in Deutschland ALG II oder auch Hartz IV bekommen.
Zu den Beziehern staatlicher Leistungen gehören auch Empfänger von befristetem Arbeitslosengeld IV, Wohngeldbezieher sowie Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind - oder auch Rentner, die Grundsicherung benötigen. Im Vergleich zu einigen anderen Ländern gilt das Sozialversicherungssystem in Deutschland als fortschrittlich. Trotzdem haben viele Bezieher staatlicher Leistungen das Gefühl, durchs Raster zu fallen und beklagen stigmatisiert zu werden. Sie haben oft keine Lobby. Nicht selten wird es in der Gesellschaft als persönliches Versagen gewertet, wenn Menschen staatliche Leistungen benötigen. Die einen schämen sich, die anderen hoffen "niemals soweit abzusteigen".
Bei den Empfängern und Empfängerinnen staatlicher Leistungen handelt es sich längst nicht nur um eine Randgruppe von Menschen, die es „nicht geschafft“ haben. Sondern es geht um eine wachsende Gruppe Bedürftiger, die nach Einschätzungen vieler Experten sowohl durch die Auswirkungen der Corona-Krise als auch durch die Folgen des digitalen Wandels immer größer wird. Seit drei Jahren diskutiert die SPD über das Konzept eines 'neuen Sozialstaats'. Jetzt hat der Entwurf eines Bürgergelds Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden.
Seit Jahren gibt es die Forderungen, Hartz IV abzuschaffen. Das System gilt als veraltet, teilweise ineffizient, Verhältnisse einbetonierend und ungerecht. Im Jahr 2019 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Praxis der Sanktionierung teilweise verfassungswidrig ist. Während sich die Republik über steigende Energiekosten durch die Inflation echauffiert, bewegt sich die Anpassung des Regelsatzes am Existenzminimum im einstelligen Bereich bei etwa drei Euro.
Als Hartz IV 2005 in Kraft trat, wurden mit diesem Gesetz die Leistungen der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zusammengeführt. Nach seinem Inkrafttreten ging die Arbeitslosigkeit zurück. Ob dies vor allem an der Hartz-IV-Reform lag oder ob andere Ursachen für die positive Entwicklung verantwortlich waren, ist bis heute umstritten. Gelingt es mit dem geplanten Bürgergeld das Sozialsystem zu erneuern? Und ist so eine Reform überhaupt finanzierbar? Wie viele Regeln und auch pflichten sind nötig?
"Anstelle der bisherigen Grundsicherung werden wir ein Bürgergeld einführen", steht im Koalitionsvertrag. Ob es wirklich kommt und wie es aussieht, wird die Zukunft zeigen. Als zu vage und unkonkret, kritisierten viele Kommentatoren die Pläne. Immerhin, das scheint klar: die Möglichkeiten zum Zuverdienst sollen verbessert, Mitwirkung entbürokratisiert und der Vermittlungsvorrang abgeschafft werden.
Der Arbeitsmarktexperte sieht vor allem die geplante Abschaffung des Vermittlungsvorrangs positiv. "Betroffene müssen bislang im Zweifel einen Helferjob annehmen – auch wenn eine Fortbildung besser gewesen wäre."
Neben den Plänen zum Bürgergeld, gewinnt die Vision des bedingungslosen Grundeinkommens deutschland- und europaweit immer mehr Anhänger. Der Verein "Mein Grundeinkommen" verlost Spenden als Grundeinkommen. Bislang haben etwa 800 Menschen ein Grundeinkommen gewonnen. Arbeitsmarktexperte Schupp startete im Mai zudem ein Pilotprojekt.
Sie hat zusammen mit dem Gründer des Vereins "Mein Grundeinkommen" Michael Bohmeyer das Buch „Was würdest du tun?" veröffentlicht, das gleich in die Spiegel-Beststellerliste aufstieg.
Quelle
Die neue Regierung ist vereidigt und hat sich die Einführung eines Bürgergeldes auf die Fahnen geschrieben. Wie viel Hartz IV ist im geplanten im Bürgergeld? Gelingt eine Reform? Ist das Grundeinkommen nicht die viel bessere Variante? "Hartz IV, Bürgergeld, Grundeinkommen: Was ist gerecht?“ – darüber sprechen wir bei "Dienstags direkt".
Unsere Gäste:
- Professor Jürgen Schupp, Deutsches Institut für Wirtschaft (DIW)
- Claudia Cornelsen, Autorin, PR-Beraterin, Mitglied im Verein "Sanktionsfrei" und "Mein Grundeinkommen"
- Fabian Funke, Bundestagsabgeordneter (SPD) und Landesvorsitzender der Jusos in Sachsen
- Henning Vöpel, Direktor des Centrum für Europäische Politik
Millionen Menschen in Deutschland sind auf Leistungen des Staates angewiesen. Dazu gehören längst nicht nur die Empfänger des Arbeitslosengeld II (ALG II) – vor allem unter dem Namen Hartz IV bekannt. Dazu gehören auch die sogenannten Aufstocker, also alle Menschen, deren Verdienst nicht zum Leben reicht und die zusätzlicher staatlicher Hilfe bedürfen, um das Existenzminimum zu decken.
Nach Angaben des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen waren 2020 über 900.000 sogenannte Niedriglohnbeschäftigte, Selbstständige und Minijobber auf staatliche Unterstützung angewiesen, um ein Leben zumindest am Existenzminimum zu fristen. "Es zeigt sich ein deutlicher Bedeutungszuwachs der 'AufstockerInnen'", schreiben die Autoren. Demnach machten diese mittlerweile knapp ein Viertel aller ALG II- Berechtigten aus. Insgesamt hätten 2020 knapp vier Millionen Menschen in Deutschland ALG II oder auch Hartz IV bekommen.
Zu den Beziehern staatlicher Leistungen gehören auch Empfänger von befristetem Arbeitslosengeld IV, Wohngeldbezieher sowie Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind - oder auch Rentner, die Grundsicherung benötigen. Im Vergleich zu einigen anderen Ländern gilt das Sozialversicherungssystem in Deutschland als fortschrittlich. Trotzdem haben viele Bezieher staatlicher Leistungen das Gefühl, durchs Raster zu fallen und beklagen stigmatisiert zu werden. Sie haben oft keine Lobby. Nicht selten wird es in der Gesellschaft als persönliches Versagen gewertet, wenn Menschen staatliche Leistungen benötigen. Die einen schämen sich, die anderen hoffen "niemals soweit abzusteigen".
Bei den Empfängern und Empfängerinnen staatlicher Leistungen handelt es sich längst nicht nur um eine Randgruppe von Menschen, die es „nicht geschafft“ haben. Sondern es geht um eine wachsende Gruppe Bedürftiger, die nach Einschätzungen vieler Experten sowohl durch die Auswirkungen der Corona-Krise als auch durch die Folgen des digitalen Wandels immer größer wird. Seit drei Jahren diskutiert die SPD über das Konzept eines 'neuen Sozialstaats'. Jetzt hat der Entwurf eines Bürgergelds Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden.
Seit Jahren gibt es die Forderungen, Hartz IV abzuschaffen. Das System gilt als veraltet, teilweise ineffizient, Verhältnisse einbetonierend und ungerecht. Im Jahr 2019 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Praxis der Sanktionierung teilweise verfassungswidrig ist. Während sich die Republik über steigende Energiekosten durch die Inflation echauffiert, bewegt sich die Anpassung des Regelsatzes am Existenzminimum im einstelligen Bereich bei etwa drei Euro.
Als Hartz IV 2005 in Kraft trat, wurden mit diesem Gesetz die Leistungen der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zusammengeführt. Nach seinem Inkrafttreten ging die Arbeitslosigkeit zurück. Ob dies vor allem an der Hartz-IV-Reform lag oder ob andere Ursachen für die positive Entwicklung verantwortlich waren, ist bis heute umstritten. Gelingt es mit dem geplanten Bürgergeld das Sozialsystem zu erneuern? Und ist so eine Reform überhaupt finanzierbar? Wie viele Regeln und auch pflichten sind nötig?
"Anstelle der bisherigen Grundsicherung werden wir ein Bürgergeld einführen", steht im Koalitionsvertrag. Ob es wirklich kommt und wie es aussieht, wird die Zukunft zeigen. Als zu vage und unkonkret, kritisierten viele Kommentatoren die Pläne. Immerhin, das scheint klar: die Möglichkeiten zum Zuverdienst sollen verbessert, Mitwirkung entbürokratisiert und der Vermittlungsvorrang abgeschafft werden.
Der Arbeitsmarktexperte sieht vor allem die geplante Abschaffung des Vermittlungsvorrangs positiv. "Betroffene müssen bislang im Zweifel einen Helferjob annehmen – auch wenn eine Fortbildung besser gewesen wäre."
Neben den Plänen zum Bürgergeld, gewinnt die Vision des bedingungslosen Grundeinkommens deutschland- und europaweit immer mehr Anhänger. Der Verein "Mein Grundeinkommen" verlost Spenden als Grundeinkommen. Bislang haben etwa 800 Menschen ein Grundeinkommen gewonnen. Arbeitsmarktexperte Schupp startete im Mai zudem ein Pilotprojekt.
Sie hat zusammen mit dem Gründer des Vereins "Mein Grundeinkommen" Michael Bohmeyer das Buch „Was würdest du tun?" veröffentlicht, das gleich in die Spiegel-Beststellerliste aufstieg.
Quelle
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