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Carolin Emcke | Das Leiden der anderen

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Es ist das wichtigste Ereignis der Frankfurter Buchmesse: Die Publizistin Carolin Emcke erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In ihrem neuen Buch kämpft sie gegen den Hass in der Gesellschaft. Können ihre Rezepte etwas bewirken?
Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht von einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim, der Schändung einer Moschee oder einem versuchten Terroranschlag berichtet werden muss. Alltäglich ist geworden, was noch vor Kurzem als undenkbar galt: dass sich eine Partei mit völkischem Anstrich rechts von der Union etabliert oder dass in Dresden vom Kleinbürgertum gleich das ganze Abendland verteidigt werden muss und nicht mehr nur die Waldschlösschenbrücke.
Insofern ist es natürlich an sich begrüßenswert, dass die Journalistin und Autorin Carolin Emcke, die an diesem Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird, ein Plädoyer Gegen den Hass abgefasst hat (S. Fischer Verlag, 240 S., 20,– €). Es passt jedenfalls wie ausgedacht: Die Verleihung zählt zu den Höhepunkten des an Preisen nicht gerade armen deutschen Kulturkalenders, und mit Carolin Emcke wird eine Publizistin geehrt, die sich einer regelrecht bundespräsidialen Fragestellung angenommen hat: Wie lassen sich Ressentiments der Gesellschaft beseitigen, und welche Ursachen hat der Hass?
Man liest das Buch zunächst durchaus mit pflichtschuldig nickender Zustimmung. Es fällt allerdings auch schwer, sich Leser aus dem linksliberalen, bildungsbürgerlichen oder gar intellektuellen Milieu vorzustellen, die den ethischen Normen, die hier kämpferisch vertreten werden, nicht zustimmten. Hass wird von Emcke dargestellt als eine "Engführung der Wirklichkeit". Wer wutschnaubend von den Juden oder den Muslimen oder den Lesben spreche, richte seinen Blick nicht auf die Individualität des Einzelnen, sondern auf willkürlich bestimmte Gruppenmerkmale. Das wusste man noch vom Sozialkundeunterricht: Es gehe halt darum, Vorurteile abzubauen. Und es stimmt ja, wenn Emcke schreibt: "Mit einer derart verengten Vorstellungskraft schwindet auch die Möglichkeit zur Einfühlung in ein konkretes Gegenüber. Wer sich nicht mehr vorstellen kann, wie einzigartig jede einzelne Muslima, jeder Migrant, wie singulär jede einzelne Transperson oder jeder einzelne schwarze Mensch ist, wer sich nicht vorstellen kann, wie ähnlich sie in ihrer grundsätzlichen Suche nach Glück und Würde sind, erkennt auch nicht ihre Verletzbarkeit als menschliche Wesen, sondern sieht nur das, was schon als Bild vorgefertigt ist."